Im Cafe „arbeiten“
- theresahenne
- 6. Jan.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 27. Apr.
Meine Kollegin und ich sitzen vor einem Cafe nicht weit von unserem Büro mit Eiskaffee und Laptop auf dem Tisch. Wir diskutieren eine anstehende Publikation, Aufbau, Zielgruppe, passende Journals. Ein Kollege kommt vorbei, grüßt und sagt, das sehe ja nett bei uns aus.
„Habt ihr schon Schluss gemacht für heute?“.
Es ist drei Uhr nachmittags – unwahrscheinlich.
„Nein, wir arbeiten hier“.
Ein verschwörerisches Lächeln: „Ihr arbeitet hier“.
Unsere Gesichter bleiben starr: „Ja, wir arbeiten hier.“
Ungläubiger Blick. „Alles klar … ich geh dann mal wieder ins Office. Bis später“.
Ich mir unzählige Male bewiesen, dass ich in Cafes – selbst den trubeligsten - gut arbeiten kann - oft sogar besser als in stiller Einsamkeit. Zum ersten Mal hat es mich mit Büchern, Stift und Papier in ein Cafe getrieben als ich mit 16 Jahren ein Schulhalbjahr bei einer Gastfamilie in Kanada verbrachte. Um der Stille meines neuen Zuhauses zu entkommen, machte ich mich jeden Nachmittag mit meinen Hausaufgaben bei Starbucks breit. Auch die 14 Punkte im Mathe-Abi (yes, still proud) führe ich vornehmlich auf etliche Lerntage im Cafe Mainkai in Frankfurt zurück – in dem ich bei Zimt-Latte und Kirschstreuselkuchen (wow, teenagehood) Differentialgleichungen und Ableitungen austüftelte.
Ab dem Studium gab es dann kein Halten mehr. Mein gesamter Freundeskreis wendete sich an mich für Cafe-Empfehlungen – denn ich kannte sie alle kannte.
Cafe Bells & Beans @Lüneburg, bester Cappuccino in Lünetown, tolle Sandwiches (favorire: Ziegenkäse&Mangochutney), gutes Wlan.
Bäckerei Soetebier @Lüneburg, mittelmäßiger Kaffee, aber günstig, gute Laugenstangen, kein Wlan, aber sehr viel Platz.
Cafe Bagels and Beans @Leeuwarden, tolle Bagels (favorite: Rosinenbagel mit Frischkäse, Honig und Walnuss), sehr, sehr nette Bedienung.
Cafe DeStek @Leeuwarden, es gibt eine Mini-Stroopwaffel zu jedem Cappuccino (<3), göttlicher Karottenkuchen, am Wasser, also toll zum draußen sitzen und Paper lesen
Cafe 7 Stern @Wien, top Wlan, großer Gemeinschaftstisch zum Arbeiten, leckeres Frühstück und tolle warme Gerichte
Cafe Ludwig @Wien, grandioser Iced-Cappuccino (honestly, phenomenal), eher klein und busy, aber good working vibes und schöner Innenhof zum draußen sitzen
Der Output stimmte, gute Noten und gutes Feedback. Also, ärgerten mich Kommentare, die die Ernsthaftigkeit meiner Arbeit in netter Umgebung anzweifelten. Heute während des Doktors ist das mit dem Output etwas schwieriger geworden. Weniger die Qualität des Outputs, sondern vielmehr der Output an sich. Während ich im Studium durch regelmäßige Abgaben und Prüfungen ständig in meiner Arbeitsweise bestätigt wurde, habe ich nach 1,5 Jahren seit meiner Einschreibung noch kein Paper produziert, das solch eine Validierung bewirkt. Gelesen habe ich schon viel, gedacht noch mehr. Ethik-Anträge geschrieben und an einer Schule Daten erhoben habe ich auch schon. Aber ein mein erstes Paper, nope.
„No worries, I am telling myself. You are fine. You are doing fine. Erstes Paper ist auf dem Weg und wird super.“ Doch in dieser Phase des „noch nichts vorzeigen können“, reagiere ich neuerdings sensibel auf alles, das Zweifel an meiner Arbeitsmoral wecken könnte. Während ich früher noch jedem freudig von unserem anstehenden „work-brunch“ erzählt hätte, macht sich nun die Sorge breit, Kolleg:innen könnten denken bei uns steht Kaffeeklatsch anstelle von Rechtsfragen auf der Tagesordnung.
Grund für diese Verunsicherung ist natürlich nicht, dass ich mich plötzlich für die Meinung von Verfechtern von traditionellen Arbeitssettings interessiere. Es ist der Selbstzweifel, ob ich das mit dem Doktor auch gut mache. Ob ich „genug“ Stunden mit meinen Büchern und Daten verbringe. Ein Weg aus diesem Zweifel ist sicher einfach das Fertigstellen des ersten Papers. Ein anderer Weg ist all das bereits schon wertzuschätzen und sichtbar zu machen, was ich auf dem Weg dahin lerne und erarbeite. Um all die Ideen und Gedanken festzuhalten, die noch nicht „publikationsreif“ im wissenschaftlichen Sinne sind, aber dennoch meine Tage füllen, schreibe ich diesen Blog.
Mein Kollege trifft mich in baldiger Zukunft an einem Dienstagmorgen im Cafe. Mein erstes Paper ist eingereicht, ich komplett gechillt, living the live. Er mit Stressflecken im Gesicht nach einer Nachschicht an einem 170 Seiten Report. Er so: „Ah, hast du heute frei? Bin gerade auf dem Weg ins Büro, viel zu tun.“ Ich so: „Nö, nö, ich "arbeite" hier.“ Wir tauschen verschwörrerische Blicke aus. „Na dann, dir einen schönen Tag“ Ich proste ihm meinem Smoothie zu und grinse. Er denkt es ist ein Mimosa.
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